Bayern soll laut der Staatsregierung bis 2040 klimaneutral werden – auch die Stadt Bayreuth hat sich dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben. Entscheidenden Anteil daran wird die Energieversorgung haben. Wärme und Strom sollten dann komplett aus regenerativen Energiequellen stammen. Jürgen Bayer, Geschäftsführer der Stadtwerke Bayreuth, sieht in der politischen Weichenstellung „ein Signal, das verdeutlicht, dass wir als Gesellschaft noch mehr für den Klimaschutz tun müssen“. Dass auch die Energiebranche gefordert ist, liege auf der Hand. „Die Energieversorgung ist ein riesiger Hebel, den wir schon seit Jahren bewegen. Umso wichtiger ist es für uns, dass wir unsere Strategie verfeinern und uns auf den Prüfstand stellen.“ Wer ein Ziel hat, müsse schließlich auch den Weg dorthin immer wieder hinterfragen. Daher haben die Stadtwerke gemeinsam mit dem Institut für Energietechnik (IFE) der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden eine Studie für Bayreuth erstellt, die mit 40 Prozent vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert wurde.
Wissensstand erweitern und allen digital zugänglich machen
„Wir wollten unseren bestehenden Wissensstand im Rahmen der Untersuchung erweitern und für die Allgemeinheit digital zugänglich machen“, erklärt Bayer. „Wichtig ist es, genau zu kalkulieren, wie viel fossile Energie heute gebraucht wird – beispielsweise für das Heizen von Gebäuden oder für den Tank im Auto. Aber auch für jenen Anteil des Stromes, der noch nicht aus Wasserkraft, Wind- oder Sonnenenergie gewonnen wird.“ Genauso wichtig sei die Frage, welchen Stellenwert regenerative Energieträger bereits heute in Bayreuth beim Heizen, bei der Stromversorgung und im Verkehrsbereich haben. Ausgehend vom errechneten Status quo haben die Amberger Wissenschaftler drei Szenarien für Bayreuth skizziert – eines für eine optimale Entwicklung, ein Realszenario und eines für den schlechtesten Fall. Dabei im Fokus: Wie viel Energie lässt sich in den Bereichen Heizen, Stromverbrauch und Mobilität einsparen? Und wie viel erneuerbare Energie lässt sich in Bayreuth potenziell erzeugen?
Strom - top, Wärme - bleibt herausfordernd
Seit Kurzem liegen die Ergebnisse auf dem Tisch: „Und die sind gemischt“, sagt Jürgen Bayer. „Wie zu erwarten war, bleibt der Bereich Heizen ein Kraftakt, weil er sehr viel Energie verbraucht und ein großer Teil hiervon aus fossilen Energieträgern stammt.“ Positiv sei die Perspektive für den Stromverbrauch: Schon heute werde in Bayreuth rund ein Drittel des verbrauchten Stroms vor Ort nachhaltig erzeugt. Im Jahr 2040 wird der Strom für Bayreuth laut den Prognosen komplett klimaneutral erzeugt werden können. Auch jener Strom, der zusätzlich für Wärmepumpen zum Heizen von Häusern und für die E-Mobilität benötigt werden wird. Gerade die verstärkte Nutzung von regenerativem Strom trägt laut der Studie dazu bei, dass der heutige Bayreuther Pro-Kopf-CO2-Ausstoß von 8,3 Tonnen pro Jahr deutlich sinken wird. Im Jahr 2040 auf bestenfalls 0,3 Tonnen pro Kopf und Jahr – im realistischen Szenario werden es rund 2,5 Tonnen sein.
Massive Investitionen in die Wärme- und Stromerzeugung
„Der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß wird im Energiebereich in den kommenden 20 Jahren also zwischen 70 und 96 Prozent sinken. Komplett klimaneutral ist das zwar noch nicht, aber die Richtung stimmt.“ Gerade die Wärmeversorgung bleibe im Fokus. „Weil beim Heizen sehr viel Energie eingesetzt wird, ist es hier besonders lohnend anzusetzen“, betont Jürgen Bayer. Stadtwerke-Leuchtturmprojekte der vergangenen Jahre waren die Aufstockung der Wärmezentrale in der Kolpingstraße mit einem großen Blockheizkraftwerk, das mit Biogas betrieben wird und jährlich gut 3.000 Tonnen CO2 einspart, und die modernisierte Wärme- und Kälteversorgung der Universität Bayreuth, die künftig jedes Jahr rund 6.000 Tonnen CO2 vermeiden wird. Und das nächste Großprojekt steht schon an: Die Stadtwerke Bayreuth werden schon bald die Wärmezentrale in der Röntgenstraße ausbauen – aller Voraussicht nach mit Wärmepumpen, die für nachhaltige Energie sorgen werden. „Auch bei der regenerativen Stromerzeugung haben wir kräftig investiert: Wir sind beispielsweise seit sechs Jahren an dem 20-Millionen-Euro-Windpark im Lindenhardter Forst beteiligt, der jedes Jahr rund 14.000 Tonnen CO2 vermeidet. Generell haben wir in den vergangenen zehn Jahren mit umweltfreundlicher und effizienter Kraft-Wärme-Kopplung, mit Photovoltaik-Anlagen und mit der Beteiligung am nahegelegenen Windpark unsere Eigenstromerzeugung mehr als verzehnfacht. Und was ebenso wichtig für die Energiewende vor Ort ist: Wir haben bislang rund 2.000 Anlagen in unser Stromnetz integriert, die nachhaltigen Strom erzeugen – vom Windpark Vogelherd bis hin zur kleinen Photovoltaik-Anlage auf der Garage. Außerdem schaffen wir die netztechnischen Voraussetzungen für die Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität.“
Stadtbusse fahren perspektivisch lokal klimaneutral
Im Bereich der Mobilität wird der Stadtbusverkehr der Stadtwerke Bayreuth in Zukunft auf eine klimaneutrale Antriebsform umgestellt. „Ein Großteil unserer Flotte fährt mit Biomethan. Das ist gut, aber auch wir sehen die Zukunft bei lokal emissionsfreien Fahrzeugen“, betont Bayer. Noch stehe die Strategie nicht fest, er sehe aber vor allem beim Energieträger Wasserstoff großes Potential. „So kann man überschüssige Wind- oder Sonnenenergie speichern und dann im Verkehrssektor, aber auch bei der Fernwärme nachhaltig einsetzen. In diesem Bereich der Sektorenkopplung gibt es in Bayreuth durchaus Chancen – auch das zeigt die Studie.“ Entscheidend sei, dass alle in Bayreuth auf das Ziel Klimaneutralität hinarbeiten.
OB Ebersberger: "Was alle angeht, können nur alle lösen"
Genauso sieht es Oberbürgermeister Thomas Ebersberger: „Die Untersuchung der Stadtwerke ergänzt unser Klimaschutzkonzept, das wir gerade erarbeiten. Das Projekt der Stadtwerke und der Wissenschaftler zeigt nun recht klar die Potentiale auf, die es für Bayreuth zu heben gilt. Dass wir diese im Einflussbereich der Stadt bei allen Entscheidungen nutzen wollen, untermauert der Grundsatzbeschluss aus der jüngsten Stadtratssitzung. Es geht aber nicht nur darum, dass die Stadt handelt – ich sehe uns alle in einem Boot. Wir müssen eine Klima-Allianz zwischen Stadt, Stadtwerken, Immobilienwirtschaft, Gewerbe und Industrie sowie Bürgerinnen und Bürger schmieden. Jeder kann etwas tun, um Energie einzusparen und von den fossilen Energieträgern wegzukommen. Ob es die energetische Sanierung von Wohnhäusern ist oder die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Was alle angeht, können nur alle lösen.“
Digitales Tool: Bayreuth ist Vorreiter
Was man tun kann und wo die Potentiale im Bereich der Energienutzung liegen, zeigt der digitale Energienutzungsplan, der ebenfalls von den Amberger Wissenschaftlern und den Stadtwerken Bayreuth im Rahmen der Studie erarbeitet wurde. Auf einer Internetseite kann jeder, aufgegliedert nach Straßenzügen, sehen, wo in Bayreuth besonders viel Energieverbrauch wird, welche Dächer sich für eine Photovoltaik-Anlage eigenen oder ob in der Nähe eine Fernwärmeleitung liegt. „In dieser Tiefe ist das der erste digitale Energienutzungsplan seiner Art in ganz Bayern“, sagt Prof. Dr.-Ing. Markus Brautsch, Leiter des Instituts für Energietechnik. „Wir sind davon überzeugt, dass er die Energiewende in Bayreuth unterstützen wird. Bayreuth ist mit diesem digitalen Format vorangegangen, was man auch im bayerischen Wirtschaftsministerium wahrgenommen hat.“