Im Winter wohlig warm und im Sommer angenehm kühl – so sind es die Studierenden von den Hörsälen, Seminarräumen und Bibliotheken der Universität Bayreuth gewöhnt. Dass es auch so bleibt, dafür sorgen die Stadtwerke Bayreuth, die die Universität über ein Nahwärme- und Nahkältenetz versorgen. Für die notwendige Energie sorgen zwei große Gasbrenner – immerhin 7.500-mal so stark wie ein Camping-Kocher – und mehrere Kältemaschinen auf dem Campus, die in etwa so viel leisten wie 3.500 durchschnittliche Klimageräte. Schon bald sollen die Gasbrenner nur noch unterstützend eingesetzt werden, erklärt Andreas Waibel, bei den Stadtwerken Bayreuth zuständig für die Bereiche Contracting und Wärmeerzeugung. „Wir wollen an der Uni Bayreuth ein deutschlandweit einzigartiges Projekt auf die Beine stellen.“ Gut 30 Prozent der Wärme, die die Universität Bayreuth braucht, erzeugen die Stadtwerke in Zukunft regenerativ. Rund 5.000 Tonnen CO2 sparen sie dadurch ein – pro Jahr versteht sich.
Der ehrgeizige Plan der Stadtwerke Bayreuth: Zusätzlich zu den Gasbrennern möchte das Unternehmen ein großes Blockheizkraftwerk (BHKW) installieren. Das funktioniert wie ein großer Automotor, der über einen Generator Strom herstellt, nur dass die dabei entstehende Abwärme ebenfalls genutzt wird, wodurch die im Erdgas enthaltene Energie nahezu vollständig genutzt wird – ganz im Gegensatz zum Automotor. „Es hat eine elektrische Leistung von 3,5 Megawatt, was in etwa 45 durchschnittlich motorisierten Autos entspricht“, sagt Andreas Waibel. „Allein der Anlasser für das BHKW ist so groß wie ein Automotor.“
XXL-Wasserkocher nutzt überschüssigen Strom
Neben dem BHKW wird es eine Luft-Wärme-Pumpe geben, die der Luft Wärme entzieht und diese ins Uni-Netz einspeist – wie ein umgekehrt arbeitender Kühlschrank. Ein weiterer Baustein des Projekts ist ein sogenannter Elektrodenkessel, im Prinzip nichts anderes als ein Wasserkocher im XXL-Format. „Der ist dann im Einsatz“, erklärt Waibel, „wenn im Netz zu viel Strom produziert wird.“ Der Elektrodenkessel erhitzt in diesem Fall das Wasser des Nahwärmenetzes der Universität Bayreuth. „So können wir die Energie nutzen. Das ist allemal besser, als beispielsweise Windräder auszuschalten.“ Damit das funktionieren kann, vernetzten die Stadtwerke Bayreuth alle Bestandteile der Anlage miteinander. So kann jede Komponente automatisch auf Änderungen reagieren und die Stadtwerke können jederzeit nachvollziehen, was gerade passiert und notfalls eingreifen.
Stadtwerke-Chef: „Universität Bayreuth lässt sich mittelfristig nicht sinnvoller mit Wärme und Kälte versorgen“
„Jede Komponente für sich betrachtet ist weder Hightech noch eine Herausforderung für uns“, betont Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Bayer. Besonders mache das Projekt seiner Meinung nach erst das Zusammenspiel aller Bestandteile und die aktuelle Situation der Stromproduktion in Deutschland. „Die Energiewende ist technisch sehr komplex. Natürlich ist es schön, dass mittlerweile gut ein Drittel unseres Stroms nachhaltig erzeugt wird. Leider steht uns diese Energie nicht gleichmäßig zur Verfügung. Im Gegenteil: Mal gibt es zu viel und mal gibt es zu wenig davon. Vorreiterkonzepte, wie das unsere, helfen, das Problem zu verringern.“ Denn: Das neue BHKW liefert neben Wärme auch Strom. Gibt es von letzterem zu viel im Netz, kann es ferngesteuert gedrosselt oder abgeschaltet werden. Gleichzeitig wandelt der Elektrodenkessel überschüssigen Strom aus dem Netz in Wärme, mit der die Universität beheizt werden kann. „Da wir alles mit einer modernen und voll automatisierten Mess- und Regeltechnik ausstatten, sind wir eines von sehr wenigen Projekten in Deutschland, das die Heizung von Gebäuden in großem Maßstab mit dem Stromnetz koppelt. Projekte wie das unsere bringen die PS der Energiewende auf die Straße. Mittelfristig, da bin ich überzeugt, lässt sich die Universität Bayreuth nicht sinnvoller mit Wärme und Kälte versorgen.“
Innovatives Projekt ist 2020 startklar
Bevor die Stadtwerke Bayreuth ihren Plan in die Tat umsetzen können, müssen sie zwei bestehende Kühltürme abreißen und ein neues Gebäude bauen. „Die technische Konzeption der Anlage, bei der uns das Institut für Energietechnik maßgeblich unterstützt hat, steht“, sagt Andreas Waibel. „Aktuell bemühen wir uns um die nötigen Genehmigungen der Behörden und wir kümmern uns um die Ausschreibungen.“ Schon im kommenden Jahr sollen die ersten Bagger rollen. Läuft alles wie gewünscht, ist die Anlage spätestens im Jahr 2020 einsatzbereit.
Stadtwerke Bayreuth investieren fünf Millionen Euro
Für das Großprojekt greifen die Stadtwerke tief in die Tasche: Rund fünf Millionen Euro wird es in das Innovationsprojekt stecken. Geld, das in Bayers Augen gut angelegt ist. „Fünf Millionen Euro sind für uns nun wirklich kein Pappenstiel, allerdings werden wir die Anlage durch die hohe Energieausbeute rentabel betreiben können. Zudem bietet sich uns hier die einmalige Chance, ein technisches Projekt umzusetzen, das es in der Art vermutlich in ganz Deutschland noch nicht gibt. Wir gehen fest davon aus, dass diese Erfahrungen auch bei künftigen Projekten von Vorteil sein werden.“
Über das Nahwärme- und- Nahkältenetz der Universität Bayreuth
Jedes Jahr braucht die Universität Bayreuth 27.000 Megawattstunden Wärme und 6.000 Megawattstunden Kälte. Die liefern die Stadtwerke Bayreuth über ein Contracting-Modell. Die Anlage besteht aus zwei Gaskesseln mit einer Leistung von je 9,3 Megawatt, drei Kältemaschinen, die jeweils 1,3 Megawatt leisten, und zwei Kühltürmen (je 2,3 Megawatt). Als Redundanz zu den Gaskesseln gibt es zudem einen Elektrodenkessel (6 Megawatt Leistung). Bis zum Jahr 2020 wollen die Stadtwerke Bayreuth die beiden Gaskessel um ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 3,5 Megawatt ergänzen. Mithilfe einer umfassenden Vernetzung aller Komponenten soll so eines der deutschlandweit ersten innovativen Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme entstehen.