Pressemeldungen

„Ein Revival der Kernenergie auf Zeit oder Dauer kann es nicht geben“

Markus Rützel ist Geschäftsführer der Stadtwerke Bayreuth und leitet damit ein facettenreiches Unternehmen, das sich unter anderem um Energienetze, den Energievertrieb, die Wasserversorgung und den Stadtbusverkehr in Bayreuth kümmert. Die Diskussion zur Bundestagswahl und die Wahlprogramme der Parteien bedürfen aus seiner Sicht jedoch eines Blicks für Bayreuth durch die „Stadtwerke-Brille“.

19.02.2025

Markus Rützel ist Geschäftsführer der Stadtwerke Bayreuth

Herr Rützel, welche Rolle kann Kernenergie in Zukunft spielen?
So gut ich den Ruf nach der verlässlichen und bezahlbaren Energiequelle während der Energiekrise nachvollziehen kann: Die Kernenergie ist hier nicht die Antwort. Die gesamte deutsche Energiewirtschaft ist sich hier einig. Ein Revival der Kernenergie auf Dauer oder auf Zeit kann es nicht geben. Die deutschen Meiler sind alle heruntergefahren und bei vielen hat der Rückbau bereits begonnen. Ein Kernkraftwerk ist eben nicht wie ein Auto, das man nach 20 Jahren in der Scheune mal eben so wieder zum Laufen bringt. Das betonen übrigens auch die Betreiber der Meiler. Als kurzfristige Unterstützung für unser Energiesystem fällt die Kernenergie damit aus. Mittel- bis langfristig wäre ein Wiedereinstieg in die Kernenergie zumindest technisch gesehen möglich, allerdings komplett unnötig, da wir bereits heute auf diesen Strom gut verzichten können. Kostenseitig stellt die Kernenergie keine Alternative dar. Der Bau neuer Kraftwerke ist mit erheblichen Kosten verbunden. Wie komplex dieser sein kann, zeigt die Erweiterung des Kernkraftwerks im französischen Flamanville, das nach 17-jähriger Bauzeit und Kosten von rund 24 Milliarden Euro kurz vor Weihnachten 2024 ans Netz ging. Die Stromgestehungskosten sind damit höher als bei den erneuerbaren Energien. Was übrigens auch nicht außer Acht gelassen werden darf: Die Endlagerfrage ist in Deutschland nach wie vor ungelöst und wird dem Strompreis auch nicht zugerechnet, sondern aus Steuergeldern bezahlt. Auch ist die sichere Versorgung mit Uran nicht gewährleistet. In Deutschland gibt es keine nutzbaren Quellen und eine zuverlässige Versorgung aus dem Ausland ist nur für 25 bis maximal 166 Jahren gegeben. Selbst wenn die Gefahren einer nuklearen Katastrophe gering sind, werde ich trotzdem kein Atomkraftwerk in Bayreuth bauen oder unterstützen.

Strom soll günstiger werden. Mehrere Parteien schlagen vor, die Netzentgelte, quasi die Maut für die Nutzung der Stromautobahnen der Netzbetreiber, zu reduzieren. Ist das ein praktikabler Weg?
Es ist gut, wenn Wirtschaft und Verbraucher bei den Stromkosten entlastet werden. Gerade im Bereich der Energie, der in den vergangenen Jahren im Vergleich zu anderen Lebenshaltungskosten überproportional angestiegen ist. Das bringt zugleich den Vorteil, dass die Sektorenkopplung für die Verbraucher wieder spannender wird: Schließlich wird sich jeder genau durchrechnen, wie viel Strom die Wärmepumpe oder das Elektroauto verbraucht und wie die Treibstoffkosten im Vergleich zum Verbrenner oder zur klassischen Gasheizung ausfallen. Würden die Strompreise entlastet, stärkt das also nicht nur die Haushaltskasse, es wäre zugleich ein Schub für die Verkehrs- und die Wärmewende. Ich warne allerdings davor, dass die notwendigen Mittel von den Stromnetzbetreibern kommen sollen. Sie sind das Rückgrat der Energiewende und binden streng reguliert landauf, landab jedes Jahr zehntausende erneuerbare Anlagen in ihre Netze ein. Wenn dies nicht mehr sicher refinanzierbar ist, wäre das ein echter Hemmschuh für die Energiewende. Vielmehr brauchen wir für die Finanzierbarkeit der notwendigen Investitionen in das Stromnetz einen verlässlichen politischen Rahmen, der den handelnden Netzbetreibern keine Fesseln auferlegt.

Das Ziel der Energiewende ist Konsens vieler Wahlprogramme. Es gibt allerdings auch Stimmen, die eine sofortige Abkehr von der Energiewende und den Abriss von Windkraftanlagen einfordern. Wie stehen Sie dazu?
Fakt ist: Wir haben bereits vieles bei der heimischen Autarkie erreicht. Strom made in Oberfranken ist nicht mehr wegzudenken. Allein in unserem Netzgebiet haben wir mehr als 3.000 Anlagen integriert, die erneuerbare Energie erzeugen. Hierbei spielt die Windenergie eine wichtige Rolle. Deutschlandweit stammte im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen. Würde man alle Windkraftanlagen abschalten, würden in Deutschland rund 140 Terrawattstunden Strom fehlen. Das wären über 26 Prozent des gesamten Stroms, in etwa so viel wie die Kernenergie zu ihren Höchstzeiten in Deutschland je erreicht hat. Windräder niederreißen und Kernkraft aufzubauen ist daher blanker Unsinn. 

Wie stehen Sie zu Wasserstoff und Technologieoffenheit? 
Viele Politiker möchten mit der Technologieoffenheit dem Wähler die Sicherheit geben: Es bleibt alles so wie es ist. Aber das ist ein fataler Trugschluss. Technologieoffenheit ist in erster Linie eines: teuer! Eine Tankstelle, die Benzin, Diesel, Super, HVO100, Biomethan, Strom, Wasserstoff, E-Fuels oder ähnliches anbietet, kann nicht günstiger sein als eine Ladesäule. Wenn sich für die Wärmeenergieversorgung in Bayreuth die rechte Straßenseite für Wasserstoff und die linke Seite für Erdgas entscheidet, benötige ich als Stadtwerk dann trotzdem zwei Leitungen in der Straße. Diese doppelte Infrastrukturmaßnahme kann und will niemand finanzieren. Die Kutschenbetreiber haben sich damals auch nicht durchgesetzt, sonst würden wir neben der Zapfsäule auch noch einen Pferdestall benötigen. Daher ist der Begriff der Technologieoffenheit immer mit einer gesunden Vorsicht zu genießen. 
Grüner Wasserstoff ist langfristig ein wesentlicher Baustein unserer Energieversorgung. Ob dieser dann heimisch erzeugt, oder importiert wird, bleibt abzuwarten. Zwar klingt die Idee grünen Wasserstoff durch Überschussstrom aus Wind und Photovoltaik zu erzeugen, der sonst abgeregelt wird, sehr verlockend, aber man muss bedenken, dass ein Elektrolyseur am liebsten gleichmäßig arbeitet und die Volllaststunden entscheidend für die Wirtschaftlichkeit sind. Ob in Deutschland erzeugt oder importiert, der Wasserstoff muss nach Bayreuth kommen – auch wenn es Erzeugungsanlagen in Bayreuth geben sollte, die für die vollständige Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff nicht ausreichen werden. Und hier muss das geplante Wasserstoff-Kernnetz mit einem Verteilernetz zu einem Wasserstoff-Gesamtnetz weiterentwickelt werden. Nach den aktuellen Planungen des Wasserstoffkernnetzes erreicht uns dieses nicht, sondern die nächstgelegene Stadt ist Wunsiedel. Damit schauen Städte wie Bayreuth, aber auch Coburg, Bamberg, Schweinfurt und Würzburg in die Röhre. Hier müssen wir schon heute weitsichtiger agieren, um eine komplette Umstellung auf Wasserstoff realisieren zu können. 

Weniger Bürokratie und weniger Regulierung – diese Forderung findet sich in mehreren Wahlprogrammen. Wie stehen Sie dazu?
Wild-West-Kapitalismus führt uns nicht ans Ziel, deswegen braucht auch die deutsche Energiewirtschaft klare Regeln. Auch weil die Energiewende geschickt gelenkt und die verschiedenen Interessen miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Der Markt regelt nicht alles. Und dennoch sollte der Energierechtsrahmen verschlankt und reformiert werden. Es kann nicht sein, dass schon bald jeder Energieanbieter den Kundenwechsel binnen 24 Stunden realisieren können muss, und gleichzeitig muss ich beim Wechsel des Handyvertrags als Kunde selbst die Rufnummernmitnahme beantragen. Hier gibt es ein Missverhältnis, das die neue Bundesregierung unter der Überschrift Bürokratieabbau angehen muss.

Herr Rützel, welche Rolle spielt Trinkwasser im Wahlkampf zur bevorstehenden Bundestagswahl?
Eine Große, und das freut mich ausdrücklich. Die Parteien erkennen den Stellenwert unseres wichtigsten Lebensmittels an, dennoch gibt es Unterschiede – beispielsweise bei der Beurteilung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Auch wenn es einen Interessensausgleich mit der Landwirtschaft geben muss, bin ich als Geschäftsführer eines Wasserversorgungsunternehmens der klaren Haltung: Nicht mehr als unbedingt nötig. Denn uns allen muss klar sein: Was wir in die Natur einbringen, erreicht irgendwann unser Grundwasser. Vielleicht nicht heute und auch nicht morgen, aber irgendwann kommen Stoffe wie diese aus unserem Wasserhahn – das gilt es zu vermeiden. Das Trinkwasser in Bayreuth hat eine exzellente Qualität und das muss so bleiben.

Die Stadtwerke Bayreuth betreiben den Stadtbusverkehr in Bayreuth. Würden Sie sagen, dass das Deutschlandticket ein Booster für die Verkehrswende ist?
Ein klares Ja. Das Deutschlandticket war und ist ein wichtiges Signal: Der Staat fördert eine erschwingliche und vor allem nachhaltige Mobilität – ohne den ganzen Ticket-Dschungel und das deutschlandweit. Einfach in jeden Bus, jede Tram und jede U-Bahn einsteigen zu können, ist genial. Das ganze Konstrukt aus Ringen, Waben oder Zonen ist damit hinfällig. Einfachheit ist Trumpf und kann dafür sorgen, dass man das Auto komplett abschafft. Allerdings ist man bei der Finanzierung zu kurz gesprungen: Bei Verkehrsunternehmen wie den Stadtwerken Bayreuth ist noch längst nicht klar, inwiefern die Ausgleichszahlungen die Einnahmeausfälle beim üblichen Ticketverkauf auffangen. Das geht so nicht – wir brauchen deutlich mehr Planbarkeit, weil die Kosten für Energie und Personal ohnehin deutlich gestiegen sind. Zudem hilft es wenig, wenn das Deutschlandticket, das in einem nationalen Kraftakt das Licht der Welt erblickt hat, jedes Jahr im Zuge von Haushaltsverhandlungen ob der Kosten erneut in Frage gestellt wird. Ein Abschaffen des eigenen Autos und der komplette Umstieg auf den ÖPNV wird damit unnötig erschwert. Das Deutschlandticket braucht eine langfristige Perspektive: Sowohl für die Kunden als auch für die Verkehrsunternehmen.

Sie haben Fragen?

Jan Koch, Stadtwerke Bayreuth

Jan Koch

Pressesprecher

Telefon: 0921 600-203

Stadtwerke Bayreuth
Birkenstraße 2
95447 Bayreuth


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