Im vergangenen Oktober haben die Stadtwerke Bayreuth das erste deutsche innovative Kraft-Wärme-Kopplungs-System (iKWKS) in den Probebetrieb genommen. Es versorgt die Universität Bayreuth mit Wärme und befindet sich seit Jahresbeginn im Regelbetrieb. Für die Wärme sind dort nicht mehr nur Gasbrenner im Einsatz, sondern vor allem im Winterhalbjahr ein Blockheizkraftwerk, das neben Wärme auch Strom erzeugt. Ergänzt wird es durch große Wärmepumpen, die im Sommerhalbjahr weite Teile der benötigten Wärmeenergie liefern, und einen Elektrodenkessel, der – ähnlich wie ein großer Wasserkocher – Wärme aus Strom erzeugt, wenn davon zu viel im Netz ist. Das iKWKS vermeidet jährlich den Ausstoß von rund 5.000 Tonnen CO2.
Am Donnerstag hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Zuge seiner Sommertour das iKWKS der Stadtwerke Bayreuth vor Ort besichtigt. Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Bayer sprach von einer „Pionierleistung“, die nur in enger Zusammenarbeit mit der Uni Bayreuth realisiert werden konnte. Das Projekt habe in der Branche bereits für Aufsehen gesorgt und er sei zuversichtlich, dass die Stadtwerke weitere Projekte anschieben können, die zur Wärmewende beitragen. „Wir freuen uns, dass sich der Bundeswirtschaftsminister für unsere Aktivitäten interessiert“, sagte Jürgen Bayer. „Das Gespräch war äußerst spannend und es hat gezeigt, wie fundiert er sich in energiewirtschaftlichen Themen auskennt. Er weiß um die Herausforderungen unserer Branche – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der Gasversorgung.“
Stadtwerke und OB warnen vor Energiearmut
Sowohl die Stadtwerke Bayreuth als auch Thomas Ebersberger, Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth, haben an Habeck appelliert, dass es eine politische Lösung für Menschen brauche, die sich die stark gestiegenen Energiepreise nicht mehr leisten können. „Da sind zum einen unsere explodierenden Beschaffungskosten, die wir an unsere Kunden weiterreichen müssen“, erklärte Bayer. „Hinzu kommt die angekündigte Umlage für Gaskunden, die viele zudem mit mehreren hundert Euro pro Jahr belasten werden wird“, betonte der Stadtwerke-Geschäftsführer. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach in diesem Zusammenhang von einer Kundengruppe, die bislang noch nicht ausgeleuchtet sei – von Menschen, die nicht viel Geld verdienen. „Weil ich zu wissen glaube, welche Belastungen da kommen können, bin ich klar auf der Seite, da großzügiger zu sein“, sagte Habeck.
In Bezug auf die Versorgungssicherheit betonte Habeck, es werde alles dafür getan, „damit wir nicht in eine Situation kommen, wo politisch entschieden wird, dass wir Lasten abschalten“. Dieser Schritt könne zwar nicht vollends ausgeschlossen werden, aber alle Mechanismen davor seien besser. Es gehe unter anderem darum, die Verbräuche zu reduzieren. „Wenn die deutschen Speicher voll sind, reichen die für einen durchschnittlichen Winter zweieinhalb Monate – ohne weitere Zuflüsse. Aber wir kriegen ja weitere Zuflüsse: Norwegen, die Niederlande, die LNG-Terminals – die werden ja weiter liefern. Hinzu kommt die Kapazität, die wir in Wilhelmshaven und Brunsbüttel aufbauen. Wenn dann auch noch die Verbräuche reduziert werden, wie sie europäisch verabredet wurden, dann bewegen wir uns in einem Korridor, der keine Zwangsläufigkeiten auslösen muss. Dass die Häuser der Kunden warm sind, das ist das Primat der Kaskaden, die wir aufgebaut haben.“
Habeck: Zuflüsse aus Italien gesichtert
Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Bayer sprach auch die geografische Lage Bayreuths im deutschen Erdgasnetz an und die damit verbundene Sorge, der Süden des Landes könnte in Probleme geraten. „Nordstream 1 ist im Nordosten, da liegt Bayreuth näher dran als am Nordwesten. Das System müsste umkalibriert werden – das geht so schnell nicht“, sagte Habeck. In diesem Zuge verwies er aber unter anderem auf Zuflüsse aus der Pipeline Turkstream aus Südosteuropa ebenso wie auf Zuflüsse aus Italien. „Zuflüsse aus Italien, sagen mir die Italiener, sind ebenfalls gesichert.“
Während des Besuches des Bundeswirtschaftsministers stellten die Stadtwerke Bayreuth auch mehrere Forschungsprojekte vor. Eines beschäftigt sich direkt mit der Optimierung des iKWKS an der Uni Bayreuth. Daran beteiligt ist eine Forschungsallianz der Universität Bayreuth – mit dem Zentrum für Energietechnik (ZET) unter der Leitung von Professor Dieter Brüggemann – und der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg Weiden – mit deren Institut für Energietechnik (IfE) unter der Leitung von Professor Markus Brautsch.
Forschungsprojekt: Bayreuth ist Modellregion
Interessiert zeigte sich Robert Habeck auch über das Forschungsprojekt ESM-Regio, das die Zukunft der Verteilnetze unter die Lupe nimmt und vom Bundeswirtschaftsministerium mit rund 1,85 Millionen Euro gefördert wird. „Bayreuth ist bei diesem groß angelegten Projekt Modellregion“, erklärte Jürgen Bayer. „Koordiniert wird es von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen unter der Leitung von Professor Reinhard German. Die Stadtwerke liefern die umfangreiche Datenbasis, um wichtige Zukunftsfragen anhand von Simulationsmodellen erforschen zu können.“ Eine drängende Frage sei beispielsweise, wie das Stromnetz aufgebaut sein muss, damit es mit der immer stärker an Fahrt aufnehmenden E-Mobilität umgehen kann. „Die Sektorenkopplung steht im Mittelpunkt und auch das Thema Wasserstoff wird eine Rolle spielen“, sagte Bayer. „Wir sind zuversichtlich, dass das Bayreuther Modell auf viele andere Verteilnetze übertragen werden kann.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte, dass dies nur mit der Digitalisierung der Netze gelingen könne.