Knapp 35 Tonnen Geschichte verließen vor Kurzem den Hof des Verkehrsbetriebs der Stadtwerke Bayreuth. Etwa 30 Jahre lang führte der rund 500 PS starke Koloss ein Schattendasein – abgedeckt unter einer Plane stand er in der Ecke einer Halle. Dabei war er einst für die Stromversorgung der Stadt nicht wegzudenken, erklärt Günter Geist, Technischer Leiter der Stadtwerke Bayreuth. „Seit 1925 war er nur wenige Meter weiter in der Eduard-Bayerlein-Straße als Notstromaggregat im Einsatz.“ Ab den 1950er Jahren sei der Dieselmotor dann eingesetzt worden, wenn Bayreuth besonders viel Strom gebraucht hat. „In unserer Netzleitstelle in der Birkenstraße konnten wir erkennen, wann wir den Diesel brauchen werden. Dann ist ein Stadtwerke-Mitarbeiter in die Eduard-Bayerlein-Straße gefahren und hat den Motor mithilfe von Druckluft gestartet“, erzählt Geist.
Alexander Wiche, Energieanlagenfachmann bei den Stadtwerken Bayreuth und Ende der 1980er Jahre noch Azubi, erinnert sich gut an das Geräusch, wenn der Diesel zum Leben erwachte. „Es war zwar nicht utopisch laut, aber man hat schon gemerkt, wie der Boden vibriert.“ Ein „Highlight“ sei es für ihn jedes Mal gewesen: „Das war ja alles händisch zu bedienen und man musste auf viele Dinge gleichzeitig achten. Einfach auf einen Knopf zu drücken, hat nicht ausgereicht, um den Motor ans Netz zu bringen.“ Gehegt und gepflegt hätten er und seine Mitarbeiter den Dieselmotor, betont er. „Da war nie auch nur ein Öltropfen dran, der war immer blitzeblank geputzt.“
Zum Putzen in den Motor hineinkriechen
Und nicht nur von außen wurde Hand angelegt – das Kurbelwellengehäuse mussten die Stadtwerke-Mitarbeiter von innen sauber machen. „Das war natürlich alles total eng. Das hieß: Der Schmächtigste musste rein und dort alles sauber wischen“, erinnert sich Wiche und lacht. Ende der 1980er Jahre ging der Motor endgültig in Rente und fand sein neues Plätzchen in einer nahegelegenen Halle der Stadtwerke Bayreuth. Nach fast 30-jährigem Dornröschenschlaf entschied das Unternehmen, dass der Platz gebraucht wird und der Motor abgegeben werden soll.
Motorensammlung im Schwarzenbacher Traktormuseum
Doch wer will schon einen rund 35 Tonnen schweren und fast 100 Jahre alten Dieselmotor? Geschenkt zwar, ja, aber nur an Selbstabholer abzugeben. Gestatten: Ernst Seidel, seines Zeichens Vorstand des Vereins Traktor-Kult. In Schwarzenbach an der Saale betreibt der Verein seit 2008 in einer ehemaligen Güterhalle ein Traktormuseum. Und dort ist offenbar noch ein Plätzchen frei: „Wir haben schon zwei Motoren aus der ehemaligen Porzellanfabrik Winterling und haben uns für den großen Diesel der Stadtwerke Bayreuth sofort interessiert, als wir davon gehört haben“, erzählt er. „Unser Verein heißt zwar ‚Traktor-Kult‘, aber wir sehen alte Maschinen generell als historisches Kulturgut.“
Den Abtransport zu organisieren, sei schon einiges an Arbeit gewesen, sagt Seidel, aber alle hätten geholfen. So kam es, dass der Motor vergangenes Wochenende am Haken eines Autokrans hing. Von Bayreuth aus ging es mit dem Tieflader über die Autobahn nach Schwarzenbach, wo ihn mittlerweile die meisten Vereinsmitglieder bestaunt haben. „Die waren alle total baff, wie groß er ist“, sagt Seidel. „Und auch der Bürgermeister ist begeistert.“
Neues Betonfundament für alten Dieselmotor
Jürgen Bayer, Geschäftsführer der Stadtwerke Bayreuth, freut sich über das neue Zuhause des Dieselmotors: „Es ist schön, dass unser Motor jetzt im Schwarzenbacher Traktormuseum ist. Er ist mit seinen fast 100 Jahren ein Stück Technikgeschichte, die erzählt gehört.“ Das jedenfalls haben Ernst Seidel und seine Mitstreiter vor. „Wir wollen ihn herrichten und wieder zum Laufen bringen. Er soll dann ein Highlight für Traktortreffen oder Sonderausstellungen werden.“ Wann der Motor zum ersten Mal nach fast 30 Jahren wieder zum Leben erwacht, stehe aber noch nicht fest. Erst einmal brauche es ein ordentliches Betonfundament, auf dem er fest verankert wird. „Sonst läuft uns der Motor noch davon, wenn wir ihn anmachen“, sagt Ernst Seidel und schmunzelt dabei.